H E L L E R A U  22.4.1911 – Grundsteinlegung – 22.4.2001
Getanzte Rede mit Hannes-Zerbe-Bigband
 

Sehr geehrte Damen und Herrn!
Verehrte Gäste aus Ferrn - und Nah, von Oben und Unten!
Bei nahe drunter!
Lieber Grundstein!
Meine Damen und Herren!

1,2,3,4,5,6,7-8,9,10,20,30-50-89-2001----90!
90 Jahre liegt nun dieser Grundstein 
im Grunde
auf dem Grund des Hauses.
Und überlegt. Er hat überlebt!
Mißverständlich wäre zu sagen: 
Er ist am Boden. 
Das würde das Mißverständnis nicht treffen. 

Ich erinnere mich an die Zeit vor diesen 90 Jahren.
Als hier noch Feld und Wind war.
Es war ganz still. 
Ganz still nur.
Der Grundstein war ganz still die Luft. 
Er fauchte die Luft ab und zu an.
Es brennt die Luft. Es ist ganz still.
Der Grundstein ist die Luft.
Und die Idee soll wohl steigen.
Und wir brennen auf die Sicht ist still – ist – still ist.
Und Wind ist die Idee ganz still.
Kein Wind. Nicht mal Sturm. Die Idee ist selbst Sturm. 
Du selbst neben mir bist Sturm ganz still.
Zwar fern und klar. 
Doch wie ein - Stern als Stein im Brett.
Als Sims am Korb die Takelage wackelt straff.
Ihr Stiel im Griff. Fest der Handgriff.
Die Luft hat halt. Und doch ist sie durch.
Und duu  b i s t  m e i n.
Ziehhh dichhh an  S A M T  Horizont und dran.

Hier in Hellerau war der Mittelpunkt des Horizontes einer Idee.
Vor 90 Jahren gab es 3 Hammerschläge auf den Grundstein.
Geschlagen damals von dem jüngsten Schüler der Anstalt,
einem 98-jährigen Hellerauer Kind - für
einen Bau, der wie wenige der Zukunft und den Kommenden geweiht war.
Das konnte nicht besser ausgedrückt werden, 
als durch dies Symbol der ersten drei Schläge auf den jüngsten Schüler.

In der Hellerauer Anstalt ging es damals
um die Wiedergewinnung des Rhythmus 
in der Erziehung, in der Bildung der Persönlichkeit, in 
der Kunst und im Leben.
Rhytmische Gymnastik...
Rhytmische Gymnastik findet heute mehr im Kopf statt. Obwohl.

Vor dem 20. Jahrhundert lebten die Menschen mit 
der immer lebendigen Kraft des Rhythmus.
Der wurde verdrängt durch die ökonomische Entwicklung,
die Trennung von Kopf- und Handarbeit.
Und die Verwandlung von Handarbeit in Maschinenarbeit.
So ist in Arbeit und Leben der Rhythmus verloren gegangen. 
Wir sind entrhythmisiert. 
Noch mehr nun.
Erst durch die globale Vernetzung, die Geldbörsen und 
last not least durch den Computer – findet 
der Mensch wieder zu sich –
indem er sich vermißt. 
Ja. Er vermißt sich. 
Nach Strich und Faden. Er verläßt sich.
Verläßt – sich drauf. 
Vermessen zu glauben.
Alles besser zu wissen. Wer alles besser weiß und ständig redet, hat keinen Rhythmus mehr.
Nur, wer sucht und dem Anderen zuhört, kommt 
in die Nähe des Urrhytmus. 

Aber oft ist eine Begegnung, als hätte ich den ganzen Abend
dem Cognac zugesprochen. Und der hat mich gar nicht verstanden.
Am nächsten Morgen ist die Flasche leer, der Cognac weg. 
Und wenn der Rausch weg ist, kann sich der Cognac 
an nichts mehr erinnern. 

Wer in den Fitnessclub geht, macht sein eignes Theater.
Oft scheint die Verbindung zwischen Kopf und Körper unterbrochen.
Die rhythmische Gymnastik kann 
die getrennten Stromkreise verbinden.
Damit sich die Menschen wieder besser finden.

Die Zeit verändert immer mehr ihre Grundfarbe.
Der Mensch ist heute schon nicht mehr das, was er vor 3 oder 6 Jahren war.
Arbeit, Spiel und Kunst waren in der frühen Menschheit eins.
Diese verschiedenartigen, fast gegensätzlichen Formen 
menschlicher Energieäußerung verschmolz zur Einheit - im Rhythmus.
Mit ihm konnte der Mensch Kräfte sparen und Kräfte verdoppeln.
Auch in diesem Sinne sind die ersten 3 Hammerschläge interessant.
Kein Handwerk ohne seine Arbeitslieder.
Kein Gesicht ohne Augenlieder.
Rhythmus ist auch Dialog mit der Umwelt.
Selbst am Stammtisch.
„Alle Lieder sind für dich, nur 4 Lieder Bier 
die sind für mich.“
Und wenn es alle in die Tanzsäle treibt – und in die Joggingschleifen.
Ist dies nicht Vergnügungssucht, sondern Bedürfnis nach
rhythmischer Betätigung.

Ein berühmter Staatsmann war bis ins hohe Alter leidenschaftlicher Tänzer – und viele schüttelten den Kopf. Schließlich schickte man ihn jeden Abend auf Bälle – 
Fußbälle, Körperbälle, Bälle belle - weil er zugänglicher,
freier und besserer Laune war, wenn er 
am Abend vorher getanzt hatte. 
Bei militärischen Übungen, wenn alle Kräfte zu schwinden drohen, wenn alles der Auflösung nahe ist. Dann erklingt Musik. Und der Truppenkörper wird wieder lebendig und straff.

Musik im Denken würde uns gut tun.
Nicht einseitig unfruchtbarer Intellektualismus, nicht
unerfreuliches Körperathletentum. 
Nicht Karrierismus um jeden Preis. 
Wenn der Preis hoch genug ist. 
Musik im Denken.
Und nicht offne Türen einrennen in einer geschlossnen Anstalt.

Die Hellerauer Anstalt, ein Institut nicht in Dresden, sondern
auf freiem Lande, in der Nähe des Waldes, in reiner Luft, 
in der Nähe eines richtigen Luftkorridors,
100 Meter höher als Dresden, und in einem Ort erbaut, 
der die Kunst 
an die Lösung der sozialen Aufgabe heranführt –
sofern man die Kunst als ein notwendiges Bildungsmittel, als
ein soziales Erfordernis unserer Zeit begreift.

Hellerau – Herz- und Kreislaufzentrum oberhalb einer Stadt,
deren Hauptsache eine Kopfgeburt ist, ein Kopf, der im unverhüllten Mund das Gebiß zeigt, hinter vorgehaltner Fassade..?

Der stille Zauber der Proportionen – in den Gebäuden!
Lauter Zauber in den Projekten! 
Nichts von Medizin, kaum einmal ein Arzt – 
und doch dauernde Genesung.

Dem Ort sei Besinnung gewünscht. Und bedingungsloser Beistand.
Heimat für Vielfalt der Gedanken und Formen.
Heimat ist Grenzen und Mauern einreißen, 
damit alte Phantasien freien Lauf haben –
und Visionen neu erblühen.

Es ist ganz still. 
Ganz still nur.
Der Grundstein ist ganz still die Luft. Er faucht die Luft ab und zu an.
Es brennt die Luft. Es ist ganz still.
Der Grundstein ist die Luft.

Und die Idee soll wohl steigen.
Und wir brennen auf die Sicht ist still – ist – still ist.
Und Wind ist die Idee ganz still.
Kein Wind. Nicht mal Sturm. Die Idee ist selbst Sturm. 
Du selbst neben mir bist Sturm ganz still.
Zwar fern und klar. 
Doch 
wie ein - Stern als Stein im Brett.
Als Sims am Korb die Takelage wackelt straff.
Ihr Stiel im Griff. 
Fest der Handgriff.
Die Luft hat halt. Und doch 
ist sie durch.
Und duu  b i s t  m e i n.
Ziehhh dichhh an  S A M T  Horizont und dran.
 

Lassen Sie uns das Gras erheben.
Und Keil sein.

Auf, auf. Nur zu!
 
 

Zwieback 42001